Thüringen: 650 Salatköpfe aus Behinderten-Gärtnerei geklaut

Gärtnerin Beate Wargenau (63) entdeckte den Diebstahl der 650 Kohlköpfe am Sonntagmorgen, verständigte ihre Vorgesetzten von der Lebensgemeinschaft – Anfang Juni wuchs das Gemüse saftig

Saalfeld (Thüringen) – Wie jeden Morgen wollte Beate Wargenau (63) die großen Gemüsebeete der Lebensgemeinschaft Wickersdorf wässern, für die sie zuständig ist. Doch als sie am vergangenen Sonntag, gegen 5.30 Uhr, das Gärtnereigelände betrat, traute sie ihren Augen nicht: Dort, wo noch am Vortag saftiger Salat aus dem Boden wuchs, lag nur noch trockene Erde zu ihren Füßen …

„Der gesamte Salat war wie vom Erdboden verschluckt“, erzählt die Gärtnerin noch immer ungläubig, „dabei war er gerade fertig zum Verkauf geworden.“ Insgesamt wurden 650 reife Kopfsalate der Sorte Lucinde gestohlen. Schaden: über 1000 Euro.

„Was für Außenstehende wie eine Bagatelle wirken mag, ist für die Lebensgemeinschaft ein schwerer Schlag“, erklärt Stiftungs-Chef Haiko Jacob (64). „Hier wurde die Arbeit und Würde von Menschen mit Beeinträchtigungen mit Füßen getreten.“

Stiftungs-Chef und gebürtiger Wickersdorfer Haiko Jacob ist erschüttert über den niederträchtigen Akt

Altes Schulinternat ist heute idyllischer Inklusionsort

70 Personen mit geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung haben hier inmitten der idyllischen Landschaft der Saalfelder Höhen (Thüringen) ein neues Zuhause und Arbeit in 7 Werkstätten gefunden. Darunter auch die rund einen halben Hektar große Gärtnerei.

Ab 1906 war Wickersdorf ein berühmtes Schulinternat, in dem auch Verleger Peter Suhrkamp (1925 bis 1929) lehrte. Seit 1993 wurde hier eine der fortschrittlichsten Einrichtungen der Eingliederungshilfe etabliert

Die Arbeit auf dem Feld gebe vielen Bewohnern Struktur, Anerkennung und sichert ihren Lohn: „Das Gemüse wurde mit viel Mühe und Hingabe angebaut. Der Verlust wiegt daher doppelt schwer – emotional und wirtschaftlich“, so Jacob.

Salatköpfe über Nacht entwendet

Wer macht so was? Wer beklaut Menschen mit Behinderung? Strafanzeige wurde inzwischen gestellt. Die Polizei sucht Zeugen.

Sirko (40, v.l.), Beate Wargenau, Max (22) stehen enttäuscht neben einem der geplünderten Beete, während Julius (r.) ein vertrocknetes Stück Wurzel in der Hand halt – mehr blieb von der so üppigen Ernte nicht übrig

Die Umstände des Verschwindens sind mehr als mysteriös: Der Salat-Klau geschah über Nacht, ohne dass Bewohner oder Mitarbeiter etwas davon mitbekamen. Bewohner Julius (33), der täglich in der Gärtnerei anpackt, ist sich sicher: „Ein Einzelner allein kann nicht so viel Salat ernten. Selbst für mehrere Täter muss der Abtransport Stunden gedauert haben.“

Gemüse-Ganoven scheuten Aufwand nicht

Da die vier abgeräumten Beete (je 15 x 1,20 Meter) nicht per Auto angefahren werden können, müssen die Gemüse-Ganoven sie in Kisten bis zur Straße getragen haben. Ihr Motiv? „Vermutlich als Viehfutter“, meint Jacob, der die Tür zum Garten nun notdürftig gesichert hat.

In zwei mit Folie überspannten Gewächshäusern zieht Julius mit seinen Kollegen neue Salatsaat

Nach dem Verlust der Ernte möchten sich Julius und seine Kollegen nicht unterkriegen lassen. Trotz brütender Hitze ziehen sie im Gewächshaus neue Saatschalen an, um die Minus-Einnahmen auszugleichen. Der Polizei empfiehlt er: „Spürhunde einsetzen!“

Haiko Jacob meint, dass die Gärtnerei-Gangster durch diese Tür gekommen sein müssen. Die vier betroffenen Beete liegen hinter den beiden Gewächshäusern

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